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Kassenärzte können mit höchstrichterlichem Segen Geschenke und Reisen von Pharmafirmen annehmen, ohne sich wegen Korruption strafbar zu machen. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte in einer Grundsatzentscheidung, ein freiberuflich tätiger Arzt sei weder Angestellter noch Funktionsträger der gesetzlichen Krankenkassen und damit nach geltendem Strafrecht nicht wegen Bestechlichkeit zu belangen.

Der Beschluss hat damit nicht die von vielen erhoffte Wirkung auf fragwürdige Vereinbarungen im Gesundheitswesen. Der große Graubereich zwischen Ärzten und Pharmaindustrie bleibt bestehen.

Das Gericht sieht die Politik in der Pflicht, wenn sich das ändern soll. Der Gesetzgeber müsse entscheiden, ob Korruption im Gesundheitswesen strafbar sei und dann gegebenenfalls Regeln zur effektiven Strafverfolgung schaffen.

Die Richter des Großen Strafsenats entschieden damit über eine Vorlage zweier BGH-Strafsenate. Die Strafsenate waren sich nicht darüber einig gewesen, ob Kassenärzte wie Beamte auch als Amtsträger zu bewerten seien – oder als Beauftragte der gesetzlichen Kassen. Ihnen lag unter anderem der Fall einer Pharmareferentin vor, die mehreren Vertragsärzten etwa 18.000 Euro an Prämien für Verschreibungen zukommen ließ.

Der Große Senat entschied sich überraschend für den dritten Weg: Er betonte die Freiberuflichkeit von Kassenärzten. Hätte er Ärzte anders eingestuft, hätten diese unter Umständen nicht einmal ein kleines Präsent annehmen dürfen.

Ein Vertragsarzt sei zwar in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge eingebunden, erklärte BGH. Dennoch bestimmten die Krankenkassen nicht über die Vertragsärzte. Vielmehr hätten sie ein gleichrangiges Verhältnis zueinander. Denn ein Vertragsarzt hätte bei seiner Arbeit einen Gestaltungsspielraum.

Der Patient – zu dem er ein Vertrauensverhältnis pflegt – habe sich seinen Doktor selbst ausgewählt und nach seinem Empfinden daher selbst beauftragt. Die Verschreibung von Medikamenten sei untrennbarer Bestandteil dieser Arzt-Patient-Beziehung. Dass die Verschreibung der Mittel auch für die Kassen relevant sei, rechtfertige keine andere Beurteilung.

Das Bundesgesundheitsministerium wolle an der Freiberuflichkeit der Vertragsärzte nicht rütteln, sagte ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Die Entscheidung werde hoffentlich zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. „Die Freiheit der Ärzte ist eine der Stärken unseres Gesundheitswesens“, betonte auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Jens Spahn.

Quelle: Die Welt